Liebe Laura, die Autoroute nach Süden führt auf Lyon zu. Wir kommen an Macon vorbei, hier beginnt rechts von uns das Beaujolais-Gebiet und dann bin ich im Gewühl der zweitgrößten Stadt Frankreichs. Wir kommen im Hotel l’ Abbaye standesgemäß unter. Relativ preiswert wohnen wir in einem gotischen Palast. Davon ist im Inneren nicht viel übrig, die Einrichtung ist modern, die Zimmer auch und alles funktioniert erfreulich. Wir sind im Schatten der gegenüberliegenden Kirche, sie ist die älteste der Stadt. Die Basilika Saint-Martin d’Ainay wurde im 12. Jahrhundert erbaut und unser Hotel gehörte auch zu diesem Kloster, das bis aufs neunte Jahrhundert zurückgeht. Der Chor der rein romanischen Kirche wurde im 19. Jhrd. mit Malereien aufgehübscht. Uns gefiel das sehr und man könnte hier durchaus von einem Kraftort reden. Vorrangig ist für uns aber der Besuch des berühmten Restaurants Mère Brazier. Diese Eugénie Brazier ist 1977 gestorben. Die Lyoner Küche gilt als die beste in Frankreich, was auch der Mère zu verdanken ist. Sie gilt als die Mutter der Lyonaiser Bouchons (Bistros). Sie war die erste Frau die drei Michelinsterne inne hatte. Eigentlich waren es sechs Sterne, denn sie hatte noch ein zweites Lokal, das auch mit drei Sternen dekoriert war. Sie war die Lehrmeisterin von Paul Bocuse und von Bernard Pacaud, der immer noch das Restaurant Ambroisie in Paris am Place des Vosges betreibt. Er ist nach wie vor ein Idol von mir und hält drei Sterne seit 38 Jahren.
Nun sitzen Eva und ich am Tisch des Restaurants Mère Brazier. Wir wurden von einem Heer von Kellnern empfangen. Lauter gediegene Herren im schwarzen Anzug, wie es sie in Deutschland kaum mehr gibt.
Ehrlich gesagt, das Restaurant Mère Brazier hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Schließlich galt die berühmte Köchin als sehr rustikal und auch Paul Bocuse bekam von ihr einige Backpfeifen ab. Trotzdem war sie so mütterlich, dass Bernard Pacaud bei Erwähnung ihres Namens noch heute Tränäuglein bekommt und sie als seine wahre Mutter bezeichnete.
Der Geist der großen Köchin weht nur noch über den Tellern. hochverfeinert wird die ursprünglich bodenständige Küche Lyons auf ein Zwei-Sterneniveau gehoben. Dazu braucht es viele Köche und Kellner und deshalb ist das Lokal nur mit dickem Geldbeutel voll auszuleben. Man kann es auch so machen wie wir, nur ein paar Tage Urlaub im Jahr und dabei dann alle Hoffnung fahren lassen.
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